Wie schön, wieder einmal einen Bildband in der Hand zu halten. Einen Band mit eleganter Typografie, sorgfältig gelayoutet, fadengeheftet – ein papierener Gegenentwurf zur flüchtigen, aufs Handyformat reduzierten Welt des Digitalen, in deren Bilderflut wir manchmal zu ertrinken drohen.
Typografie und Layout verleihen dem Buch die Ästhetik, die es verdient. Aber entscheidend ist natürlich der Inhalt. Der Fotograf Markus Gruber, geboren 1952 in Rheinfelden, bildet in seinem Fotokunstbuch «Wohin sehen – die frühen Jahre» nicht einfach die Welt ab. Er präsentiert uns vielmehr «seine Wirklichkeit», wie es im Vorwort heisst. Die Betonung liegt auf dem Wort «seine»: Als Künstler schafft Markus Gruber auch für den Betrachter eine neue Realität.
Gruber, der Künstler, wird in seinen «Artefakten» und «Fotogrammen» sichtbar. Bei den Artefakten handelt es sich um Fotos eines Gitters, die Gruber derart stark vergrössert hat, dass Pixelfehler sichtbar wurden. So setzt er digitale Rechenfehler als gestalterisches Element ein. Die Fotogramme wiederum – Bilder, die nicht mit einer Kamera, sondern auf einem Scanner oder in der Dunkelkammer auf lichtempfindlichem Papier entstanden sind – zeichnen sich durch eine Vielzahl geometrischer Formen aus. Das Bildformat ist mehrheitlich quadratisch. Das macht es umso schwieriger, kompositorische Spannung zu erzeugen. Gruber ist es gelungen. Die «Basler Zeitung» bezeichnete ihn denn auch einst als «Meister des Quadrats».
Gruber, der dokumentarische Fotograf – er arbeitete unter anderem am Institut für Rechtsmedizin und am Anatomischen Institut in Basel sowie zwischen 2004 und 2010 als Fotograf am Museum der Kulturen –, wird vor allem im Kapitel «Architortur» spür- und fassbar.
Die Idee dahinter ist witzig: Gruber führt uns zu architektonischen Verbrechen in Basel, indem er sein Objektiv auf die Nahtstelle zwischen alten Häusern und grässlichen Neubauten richtet. Dem ehemaligen Basler Kantonsbaumeister Carl Fingerhut gefiel die Serie so gut, dass er sie 1986 im Baudepartement ausstellen liess.
Martin Furrer, Basler Zeitung vom 3. März 2022